Freitag, 21. Februar 2014

Burnout: „Meist auch private Gründe“

Ein Burn-out ist dramatisch für die Betroffenen und teuer für Staat und Wirtschaft. Eine stärkere Verpflichtung zur Prävention wird von Firmen aber abgelehnt.

Wien. 
BMW drosselt das Tempo: 

Der deutsche Autobauer will seinen Mitarbeitern mehr Erholung verschaffen. Wer im Privatleben dienstlich telefoniert oder sonstige „Mobilarbeit“ verrichtet, darf das in sein Arbeitszeitkonto eintragen und später als Zeitausgleich nehmen. Damit will der Konzern Burn-outs als Folge ständiger Erreichbarkeit verhindern.

Das ist verständlich, nicht nur aus Gründen des Mitgefühls mit den potenziellen Patienten. Mitarbeiter im Burn-out sind für ihre Arbeitgeber teuer, weil sie oft lange ausfallen. 
Laut einer Studie des Linzer Universitätsprofessors Friedrich Schneider beträgt der volkswirtschaftliche Schaden durch psychische Erkrankungen in Österreich bereits sieben Milliarden Euro im Jahr. Ohne Gegenmaßnahmen, so Schneider, werde die Summe in wenigen Jahren auf zehn Milliarden Euro steigen. 

Der Schlüssel zur Eindämmung der Kosten sei eine rasche Diagnose: 
Bei Früherkennung koste ein Fall 1500 bis 2300 Euro. 
Wird die Diagnose spät gestellt, steigen die Kosten auf bis zu 130.000 Euro
Psychische Krankheiten seien „ein negativer Wirtschaftsfaktor“ geworden.


Um Burn-outs vorzubeugen, trat im Vorjahr eine Novelle zum Arbeitnehmerschutzgesetz in Kraft. 
Sie verpflichtet Firmen, psychische Belastungen am Arbeitsplatz zu evaluieren. 
Unter Hinzuziehung von Experten sollen Arbeitsabläufe, -anforderungen und -organisation untersucht und bei Bedarf verändert werden. 
Die Arbeitnehmerseite ist zufrieden: „Wir sehen, dass es für Arbeitgeber und -nehmer eine Win-win-Situation ist“, sagt Johanna Klösch, Arbeitspsychologin bei der Arbeiterkammer (AK).

Nicht nur die Arbeit sei schuld

Laut der österreichischen Ärztekammer litten im Vorjahr rund 500.000 Österreicher unter dem Burnout-Syndrom, weitere 1,1 Millionen waren gefährdet.


Und für die AK ist klar: 
Dass immer mehr Menschen ausbrennen, liegt vor allem am zunehmenden Stress in der Arbeit. „Burn-out ist das Ergebnis anhaltenden Drucks am Arbeitsplatz“, so Klösch. Lärm, Arbeitsklima, Platzverhältnisse, fehlende Wertschätzung, aber „auch permanenter Freundlichkeitsdruck kann eine Belastung sein“, sagt Klösch.

Dass die Schuld für die zunehmenden Burn-outs ausschließlich im Berufsleben gesucht wird, sorgt bei den Arbeitgebern zunehmend für Unmut. „Als Arbeitgeber zieht man grundsätzlich den Kürzeren“, sagt Katharina Körber-Risak, Arbeitsrechtsexpertin in der Kanzlei Kunz Schima Wallentin. Die Diagnose Burn-out werde relativ schnell gestellt und sei „eigentlich nicht überprüfbar“
Die Schuld werde in der Regel dem Arbeitsumfeld gegeben, ob das Burn-out auch private Gründe habe, werde oft nicht berücksichtigt. „Die Frage ist schon, ob das immer nur jobbedingt ist“, sagt Körber-Risak.

So sieht das auch die Wirtschaftskammer (WKO). 
Der Druck auf die Unternehmen, noch mehr gegen psychische Belastungen und Burn-outs zu tun, steige, „weil die Behauptung im Raum ist, dass diese im Betrieb entstehen. Das ist falsch. Die Gründe liegen meistens auch in der privaten Sphäre“, sagt Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der WKO.



Trotzdem entstehen für den Arbeitgeber Kosten für lange Krankenstände, während der wochen- oder monatelang das Gehalt weiter bezahlt wird. Kündigungen, so Körber-Risak, resultierten oft in Klagen. Auch wenn sie während des Krankenstandes nicht verboten sind. Im Krankenstand dürften die Dienstnehmer „alles, nur nicht arbeiten“, so Körber-Risak. „Viele Arbeitgeber fühlen sich wirklich gepflanzt.“ Tatsächlich können Freizeitbeschäftigungen wie Thermenbesuche oder Spaziergänge Teil der Therapie sein. Experten raten Arbeitnehmern, in so einem Fall ihren Chef zu informieren, um Missverständnissen und im schlimmsten Fall einer Entlassung vorzubeugen.

Gesetz „größter Aufreger“

2013 wurde laut Angaben des Arbeitsinspektorats in 3580 Betrieben kontrolliert, ob die Arbeitsbedingungen psychische Belastungen begünstigen. 
Das neue Gesetz sei „in den letzten Monaten einer der größten Aufreger in den Betrieben“ gewesen, sagt Gleitsmann. Zur Evaluierung gehören auch Fragebögen, „die waren so komplex, dass die Betriebe überfordert waren“.


Die AK forderte ursprünglich, dass verpflichtend Arbeitspsychologen eingesetzt werden. Das habe man abwehren können, so Gleitsmann. 

Für weitere Auflagen gebe es in den Betrieben auch kein Verständnis:
 „Es ist ausgereizt.“

Der Kampf gegen das Burnout steht unterdessen erst am Anfang. 

Elsbeth Huber, Leiterin der Abteilung Arbeitsmedizin im Arbeitsinspektorat, sagt: 
„Es gibt mehr Klarheit als vor ein paar Jahren, aber noch lange kein Ende.“



Original Artikel Link: Jeannine Hierländer (Die Presse)

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