Dienstag, 7. Januar 2014

Stressprävention am Arbeitsplatz: Mach Schluss mit dem E-Mail-Chaos, Boss!

Zurück aus den Weihnachtsferien und das Postfach ist voll? 


Beschweren Sie sich bei Ihrem Chef. 
Technische Helferlein können zwar die E-Mail-Flut eindämmen. 
Damit sie abebbt, 
braucht es aber klare Regeln für die Firma.

Immer erreichbar: Viele Berufstätige leiden unter der E-Mail-Flut. Quelle: dpa
Nach dem Urlaub ist es am schlimmsten. 
Hunderte ungelesene E-Mails lassen die Erholung schnell vergessen. Bis die Arbeit losgehen kann, vergehen Stunden: Lesen, verschieben, löschen.

Die E-Mail ist ein mächtiges Werkzeug – und sie macht ohnmächtig. „Mitarbeiter bekommen im Schnitt 30 bis 40 Mails pro Tag und brauchen rund anderthalb Stunden, um sie zu bearbeiten“, berichtet der Coach Ivan Blatter von den Erfahrungen aus seinen Seminaren. Bei einigen Führungskräften prasselt locker die vielfache Menge in den Posteingang. E-Mails kosten Zeit und Konzentration, und nicht selten gehen wirklich wichtige Nachrichten in diesem Wust unter.


Was tun gegen die E-Mail-Flut?

Feste Zeiten für E-Mails
E-Mails lenken von der Arbeit ab. Daher ist es ratsam, sich feste Zeiten für die Bearbeitung der elektronischen Post einzurichten und die Benachrichtigungen in der Zwischenzeit auszuschalten.
Zumindest wenn es der Job erlaubt.

Jede Nachricht nur einmal lesen
Erst überfliegen, später antworten:
Viele Nutzer bearbeiten E-Mails mindestens zwei Mal. Das ist jedoch eine Zeitverschwendung. Sinnvoll ist, sofort zu entscheiden, was zu tun ist.

Eindeutige Absprachen
Je prägnanter, desto besser: 
Eindeutige Absprachen helfen, die Zahl der E-Mails einzudämmen. Daher sollte man seine Erwartungen klar machen – das kann auch mit Formeln wie „Zur Information“ oder „Aktivität nötig“ tun.

Abkürzungen im Betreff
Mit einigen Kollegen steht man täglich im Austausch – mit ihnen kann man sich auf eine sehr knappe Sprache verständigen. In einigen Fällen reicht die Betreffzeile aus, so dass man nicht jede Mail öffnen muss. Bestimmte Abkürzungen helfen: 
EOM (End of message) oder EDN (Ende der Nachricht) etwa signalisiert, dass alles gesagt ist.

Mails in CC vermeiden
Es kann zwar sinnvoll sein, E-Mails an Kollegen oder den Chef in Kopie weiterzuleiten, diese Funktion wird aber oft genutzt, um Verantwortung zu teilen oder weiterzugeben. Insofern ist es sinnvoll, sich über die Nutzung des CC-Feldes zu verständigen. 
Wer muss was wissen? 
Im besten Fall kann man alle CC-Mails in einen separaten Ordner laufen lassen und separat bearbeiten.

Suchen statt sortieren
Je mehr Ordner, desto unübersichtlicher wird es. Experten raten daher von einer komplexen Struktur mit dutzenden Fächern ab – die Suchfunktion fördert auch so wichtige Informationen wieder zu Tage.

Im Zweifelsfall anrufen
Wie genau ist das gemeint? 
In E-Mails gehen Zwischentöne oft verloren. Deswegen eignet sich das Medium nicht für Diskussionen. 
Im Zweifelsfall greift man besser zum Hörer (oder geht direkt zum Kollegen).
Dutzende Ratgeber-Bücher und hunderte Artikel im Netz versprechen Hilfe, das Chaos in den Griff zu bekommen. Doch effektiver als alle Outlook-Tricks sind klare Regeln – und zwar für die gesamte Abteilung oder sogar Firma. Denn die meisten Nachrichten verlassen die eigene Organisation erst gar nicht, sie stammen von Kollegen und Vorgesetzten, vielleicht noch von Kunden.
„Man muss klären, welche Rolle E-Mails spielen sollen“, sagt daher Produktivitätsexperte Blatter.

Dabei komme dem Vorgesetzten eine entscheidende Rolle zu: 
„Der Umgang mit E-Mails ist Chefsache.“



Ein wichtiger Grund für das Chaos im Postfach:

„E-Mails sind ein Kommunikationsmedium, das Postfach wird aber oft zweckentfremdet“, sagt der Psychologe Roman Soucek von der Universität Erlangen-Nürnberg.
Ob To-Do-Liste, Terminplanung oder Privatarchiv – „da verliert man schnell den Überblick“, erläutert der Wissenschaftler.

Zudem sei der Umgang mit den schnellen Nachrichten oft fragwürdig: 
Da wird erst eine E-Mail geschickt und dann per Telefon gefragt, ob diese auch angekommen sei. Da wird eine Diskussion geführt, statt einfach zum Hörer zu greifen. Resultat ist ein ellenlanger Text mit einer Betreffzeile wie „AW: AW: Re: AW: Frage“.



Mehr Produktivität, weniger Stress

Soucek hat in einem Forschungsprojekt ergründet, wie sich die E-Mail-Flut bändigen lässt. „Es ist vorteilhaft, mit häufigen Kommunikationspartnern Vereinbarungen zu treffen“, lautet ein wichtiges Ergebnis. Beispielsweise mit den Kollegen in der Abteilung oder Projektmitarbeitern. „Auf dieser Ebene kann man sehr konkrete Regeln treffen“, erklärt der Wissenschaftler. Zum Beispiel:

Wie schnell müssen E-Mails beantwortet werden? 
„Im Support ist eine sofortige Reaktion erforderlich, in anderen Bereichen reichen vielleicht ein bis zwei Tage“, sagt Soucek.

Wer muss informiert werden? 
„Manchmal steht die ganze Abteilung in CC, obwohl nicht alle in das Projekt eingebunden sind“,
sagt Soucek. Das verstopfe jedoch das Postfach.



Wie kann man die Nachrichten sinnvoll filtern? 
„Wenn man sich beispielsweise darauf einigt, Projektkürzel in die Betreffzeile zu schreiben, geht das ganz einfach.“

Mit technischen Hilfsmitteln lässt sich die E-Mail-Flut zumindest eindämmen. Gängige Programme bieten mächtige Werkzeuge dafür – doch viele Nutzer kennen diese nicht.
„Angestellte verplempern eine Menge Zeit, weil sie nie lernen, wie man mit E-Mails umgeht“, weiß Blatter aus seinen Seminaren.

Ein Beispiel: 
In Outlook automatisieren Quicksteps häufige Aufgaben und reduzieren sie auf einen Klick.
„Wenn die Leute davon hören, haben sie oft ein Aha-Erlebnis.“ 
(Wie Quicksteps funktionieren, beschreibt Outlook-Hersteller Microsoft online.)


Was Firmen gegen die E-Mail-Flut tun

Kampf für mehr Produktivität
Viele Nutzer empfinden E-Mails als Produktivitätsbremse.
Deswegen versuchen einige Firmen, die Flut einzudämmen – oder sogar ganz zum Versiegen zu bringen.

„Zero E-Mail“ bei Atos
Der französische IT-Dienstleister Atos ist dabei, die E-Mail intern durch andere Instrumente zu ersetzen – etwa Soziale Netzwerke. „Wir sind der Überzeugung, dass die E-Mail als primäres Kommunikationsmittel für Unternehmen und die Geschäftswelt schon bald an Bedeutung verlieren wird“, erklärt das Unternehmen.

E-Mail-Pause bei VW
Der Betriebsrat der Autoherstellers VW hat durchgesetzt, dass Tarifmitarbeiter eine halbe Stunde nach Ende der Gleitzeit keine E-Mails mehr auf die Blackberrys weitergeleitet bekommen.

E-Mail-freier Freitag bei Intel
Ausgerechnet Intel: 
Der Chip-Hersteller animiert seine Mitarbeiter, freitags auf interne E-Mails zu verzichten und stattdessen zum Telefon zu greifen oder zum Kollegen zu gehen.

Daimler löscht im Urlaub
Daimler-Mitarbeiter können während ihres Urlaubs eintreffende E-Mails löschen lassen. 
Eine Notiz nennt einen Vertreter, an den sich Kollegen oder Kunden wenden können.

Arbeitsministerium will nicht stören
Das Bundesarbeitsministerium hat sich verpflichtet, Mitarbeiter nur noch in Ausnahmefällen in ihrer Freizeit per Anruf oder E-Mail zu stören. Sie sei aber differenziert und zugeschnitten auf die unterschiedlichen Funktionen der Beschäftigten. Indes sind nicht in allen Ressorts der Bundesregierung solch spezielle Regelungen üblich.
Doch von sich aus beschäftigen sich nur die wenigsten mit Programmen wie Outlook oder Word.
Deswegen ist nach Ansicht von Coach Blatter auch hier der Chef gefragt – indem er beispielsweise die Mitarbeiter zu Schulungen schickt.

Das geschehe durchaus im eigenen Interesse:
„Man kann viel Zeit sparen, wenn man E-Mail-Profi ist. Das setzt Produktivität frei, ohne Stress.“


Weniger E-Mails, weniger Stress – 
aber was tun mit dem Berg der unbearbeiteten Nachrichten? 

„Seien Sie realistisch“, rät Blatter: 
„Sie werden es nie schaffen, die abzuarbeiten.“ 



Sein Tipp: 
Mutige löschen die Dateien einfach, weniger Mutige verschieben sie in einen Ordner. 
Dann sind sie zumindest aus den Augen – und verderben nicht die Urlaubsstimmung.



von Christof Kerkmann
Artikel link: HANDELSBLATT

Artikel Empfehlung von Business Doctors, Graz, Österreich

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